Das Verdienst, die historische Tatsache des Widerstands gegen das NS-Regime in der Region Salzkammergut aufgearbeitet zu haben, kommt zweifelsohne dem 1993 leider verstorbenen Prof. Peter Kammerstätter zu. In jahrelangen Archivrecherchen, ergänzt durch zahlreiche Zeitzeugeninterviews, gelang es ihm, fast lückenlos Daten und Fakten zu sammeln und somit dieses Kapitel der Zeitgeschichte der Nachwelt zu bewahren.

Die historische Bedingtheit des Widerstands im Salzkammergut hat ihre Wurzeln in einer sich früh entwickelnden Arbeiterbewegung. Durch die Jahrhunderte lange Salzgewinnung in den Orten Bad Aussee, Altaussee, Hallstatt, Bad Ischl und Ebensee entstand spätestens Mitte des 19.Jahrhunderts eine selbstbewusste Lohnarbeiterschaft, die gegen die evidente soziale Benachteiligung zu Protestmaßnahmen gegenüber der Obrigkeit bereit war. Nicht ohne Grund entstanden die ersten Arbeiterbildungs- und Konsumvereine in den Jahren ab 1867 in der Region des Salzkammerguts.

Hungerproteste, im Zuge welcher etwa die berühmte Ischler Konditorei Zauner geplündert wurde, Streiks unmittelbar nach dem 1.Weltkrieg in allen Salzkammergutgemeinden und schließlich der Kampf um demokratische Errungenschaften der Republik im Februar 1934 in Ebensee ist auf die widerständische Tradition des Salzkammerguts zurückzuführen. In den Jahren 1938-1945 waren vor allem Mitglieder der verbotenen Kommunistischen Partei, zahlreiche ehemalige Sozialdemokraten waren nach dem Scheitern des Februaraufstandes zur illegalen KP gewechselt, zum Widerstand bereit. Neben individuellem Widerstand, der sich in Formen der Verweigerung gegenüber den Machthabern äußerte, bildete sich schon Mitte der 30er Jahre in Ischl und Goisern eine organisierte Gruppe der KP und des Kommunistischen Jugendverbandes, die weitgehend aus Forst- und Salinenarbeitern bestand. Aufgrund der evidenten Verfolgung durch das austrofaschistische Regime wichen die Mitglieder der Gruppen zu politischen Treffen in die umliegenden Wälder und Almgebiete aus. Eine in der Presse als „Kommunistenrazzia auf der Hoisnradalm“ im April 1936 aktenkundig gewordene Gebietsversammlung führte zu zahlreichen Verhaftungen. Die Vertrautheit mit den heimatlichen Bergen sollte in den folgenden Jahren für die Mitglieder des Widerstands eine große Rolle spielen. Um dem evidenten Verfolgungsdruck  zu entgehen, war der Rückzug in unwegsame Gebiete mit für Außenstehende lebensfeindlichen klimatischen Verhältnissen notwendig. Da sich die führenden Köpfe des Widerstands, Franz Jarisch (gestorben 1942 im KZ Dachau) und Josef Plieseis den Interbrigadisten in Spanien anschlossen, bildete sich um den Bad Ischler Schuster Hans Rettenbacher eine neue Führungspersönlichkeit.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland stieß eine weitere Persönlichkeit, der Ebenseer Friedrich Hirnböck, zur Widerstandsgruppe. Seine Belesenheit und politische Überzeugungskraft gab den zumeist Jugendlichen Halt und Kraft und trug dazu bei, dass sie nach ihrer Verhaftung in den Gefängnissen und Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ihren Lebensmut nicht verloren. 1940 und 1941 wurden mehrere Flugblätter gegen das NS-Regime vom Wagnerlehrling Raimund Zimpernik verfasst („Genossen, Männer von Österreich“, „An die Jugend Österreichs“) und in der Reichsbahnkanzlei Bad Ischl von Herbert Filla vervielfältigt. Zwischen Februar und April 1941 wurden 8 Mitglieder der KJV Gruppe sowie in der Folge einige weitere Männer verhaftet, die Jüngsten von ihnen waren gerade 16 Jahre alt. Die Gerichtsverhandlung wegen Vorbereitung zum Hochverrat fand vor dem Berliner Volksgerichtshof statt. Langjährige Haftstrafen, Überstellung in Konzentrationslager sowie im Fall von Franz Kain die Einweisung in das „Strafbataillon 999“ wurden ausgesprochen. Alois Straubinger aus Goisern, der von der Front weg verhaftet und ins Kreisgericht Wels eingeliefert worden war, gelang die Flucht, ebenso wie dem Ischler Karl Gitzoller. Beide verbargen sich monatelang bei Bekannten und vor allem in Almhütten des Salzkammerguts. Das Verdienst, den Männer Unterschlupf und Versorgung gewährt sowie Verbindungen aufrecht erhalten zu haben, kommt mehreren Frauen zu. In diesem Zusammenhang sei vor allem Theresia Pesendorfer genannt. Josef Plieseis, der als früherer Interbrigadist vom Internierungslager Gurs in das KZ Dachau überstellt wurde, konnte aus dem Dachauer Außenlager Adnet bei Hallein ins Salzkammergut fliehen.  Einem Treffen zwischen Plieseis, Straubinger und Gitzoller folgte die Neugründung einer Widerstandsgruppe mit engen Beziehungen nach Bad Aussee. Es sollten alle Gegner des NS-Regimes, auch aus konservativen und christlichen Kreisen gesammelt werden. In einem unzugänglichen Gebiet des Toten Gebirges wurde ein Stützpunkt, der so genannte „Igel“ errichtet. Es handelte sich um eine durch Erdreich und Äste perfekt getarnte Blockhütte, die bis zu 30 Männern Unterkunft bot. Immer mehr Menschen, vor allem Deserteure schlossen sich der Bewegung an. Die Versorgung mit Lebensmittel erfolgte durch Frauen und Bauern aus der Umgebung vom Almgelände der Rettenbach- Alm und Blaa-Alm aus.

Rettung der im Bergwerk Aussee gelagerten Kunstschätze

Gleichzeitig entstand innerhalb der Belegschaft der Altausseer Salzarbeiter eine Widerstandsgruppe, die wesentlich dazu beitrug, dass gegen Kriegsende weltberühmte Kunstschätze, welche zum Schutz vor Bombenangriffen in den Salzminen eingelagert worden waren, gerettet werden konnten.

Im Altausseer Salzbergwerk wurden ab 1943 weltberühmte Kunstschätze, die Hitler für ein „Führermuseum“ in Linz rauben, arisieren und teilweise ankaufen ließ, verborgen. Der Genter Alter, Gemälde von Vermeer, Rembrandt, eine Madonna von Michelangelo, um nur einige zu nennen, befanden sich gegen Kriegsende im Berg. Als der Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber, unter Missachtung eines Befehls Hitlers den wahnwitzigen Entschluss fasste, die Kunstgüter durch Sprengung zu vernichten, statt sie den Alliierten zu überlassen, handelten die Bergarbeiter, zu denen Plieseis’ Gruppe Kontakt hielt und transportierten kurzerhand die Fliegerbomben vor ihrer Zündung aus dem Bergwerk. Ernst Kaltenbrunner, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, der sich zu Kriegsende im Salzkammergut aufhielt, sowie partiell auch die Bergwerksleitung, Emmerich Pöchmüller und Otto Högler, spielten bei der Rettung der Kunstschätze ebenfalls eine Rolle. Ernst Kaltenbrunner wurde schließlich unter Mitwirkung Josef Grafls, der 2 Wochen vorher mit Albrecht Gaiswinkler und 2 weiteren Fallschirmspringern aus einer englischen Maschine über dem Höllengebirge abgesprungen war, von US-Soldaten in einer Jagdhütte auf der Wildensee-Alm verhaftet.Die Widerstandsbewegung, die in den Tagen um die Befreiung Österreichs als „Österreichische Freiheitsbewegung“ agierte, löste sich in der Folge auf.

Tatsache ist, dass der Einsatz dieser Männer und Frauen gegen das NS-Regime und für ein freies Österreich in der Nachkriegszeit nicht entsprechend gewürdigt wurde. Umso mehr ist es den eingangs erwähnten Forschungsarbeiten Prof. Peter Kammerstätters zu verdanken, dass ihr Widerstand nicht vergessen wurde.


Redaktion: Dr. Wolfgang Quatember

publiziert in: Ders./Ulrike Felber (Hg.) Zeitgeschichte Museum Ebensee. Katalog zur Dauerausstellung, Ebensee 2005, S. 190-193